Fachbeitrag
Wohnen als Grundwert für ein menschenwürdiges Dasein
Das Wohnen ist grundlegend für das Alltagserleben eines Menschen. Wohnen und besonders der Wohnraum sind Ausdruck individueller Aneignungsmöglichkeiten sowie der eigenen Identität. Im folgenden Kapitel soll daher die psychologische Bedeutung des Wohnens für den Menschen, mit Blick auf Wohnbedürfnisse, Wohnwünsche und Wohnzufriedenheit beleuchtet werden.
Die Bedeutung des Wohnens für den Menschen
Wohnen als Begriff wirkt zunächst sehr weitläufig und wenig tiefgreifend.
Sieht man sich die etymologische Herkunft des Wortes an, so hat es „mit „gewöhnt“ und „Gewohnheit“ zu tun und wurde ursprünglich im allgemeinen Sinne von „zufrieden sein“, „etwas gern haben“, „Wohlbehagen empfinden“ gebraucht.“
Der Begriff des Wohnens ist eng geknüpft an den des Hauses, im lateinischen ‚dominus‘, das früher als Lebensmittelpunkt sowohl den Lebensunterhalt als auch einen familiären und gemeinschaftlichen Aspekt beinhaltete. „Übriggeblieben ist eine Bedeutung von Wohnen im Sinne eines relativ dauerhaften Behaustseins, dessen Wert sich im besonderen auf den personalen oder sozialintimen Lebensvollzug bezieht und zwar in einem Gegengewicht zum vorherrschenden Außenbezogenseins des modernen Menschen.“ Wohnen kann somit als interaktive Mensch-Umwelt-Beziehung bezeichnet werden, was einem ökologisch-psychologischen Ansatz Rechnung trägt.
Das Individuum benötigt einen Ort zum leben, an dem Schutz und Geborgenheit gegeben sind, wo man das Leben nach eigenen Maßstäben ausrichten kann, wo sich ein hohes Maß an selbständiger Lebensgestaltung findet, die nicht anderen gegenüber gerechtfertigt oder verteidigt werden muss.
In der Literatur wird heute davon ausgegangen, dass der Wohnraum für den Menschen mehr und mehr an Bedeutung zunehmen wird, angesichts der ständigen Veränderungen im sozialen, politischen und ökonomischen Kontext, wie beispielsweise steigende Arbeitslosigkeit, Verlagerung der beruflichen Tätigkeit in den häuslichen Rahmen und vermehrte Auseinandersetzungen im Außenbereich. Somit gilt der Wohnbereich und die Wohnumwelt als „der grundlegende, das Leben von Menschen bestimmende Ort&ldquo. Von ihm aus werden die Lebensqualität und das Wohlbefinden eines Menschen maßgeblich beeinflusst.
Die Erfassung der Qualität des Wohnens kann sowohl mit objektiven, als auch mit subjektiven Verfahren erfolgen. Während sich die objektiven Verfahren zumeist auf die Beschaffenheit der baulichen Wohnumwelt befassen, so nehmen die subjektiven Verfahren die Beurteilung des Zuhauses in den Blick. Hierzu haben Amerigo und Aragones (1997) ein subjektives Verfahren zur Erfassung von Wohnqualität entwickelt, das „<<PEQI>>, der <<Perceived Environmental Quality Index>>". Die Bewohner beurteilen dabei die Qualität der Wohnung, des Hauses, der Wohnumgebung, der nachbarschaftlichen Beziehungen und der Sicherheit im Wohnquartiert. Die Wohnqualität wirkt sich nach Evans, Wells, Chan und Saltzman (2000) auch auf die psychische Gesundheit des Menschen aus. Wie sich bei ihren Studien zeigte, geht eine steigende Wohnqualität einher mit dem Gefühl gesünder zu sein. Wie die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen aussehen kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden.
Zusammenfassend hat das Wohnen psychologische betrachtet einen bedeutenden Stellenwert nicht nur im Bezug auf das menschliche Sein. Vielmehr kann das Wohnen als „eine Wesensbestimmung des Menschen“ bezeichnet werden und „bedeutet u. a. die Gestaltung seines Verhältnisses zur Welt.“ Dies soll auch an den im Folgenden dargestellten Variablen des Wohnens deutlich gemacht werden.
Wohnbedürfnisse und Wohnwünsche des Menschen
Betrachtet man das Wohnen als dem Menschen innewohnendes Wesensmerkmal, so findet eine psychologische Sichtweise ihre Rechtfertigung, die das Wohnen als ein Grundbedürfnis des Menschen definiert. In der Motivationspsychologie gibt es mehrere Versuche menschliche Bedürfnisse zu definieren, zu erklären und zu kategorisieren, der Bedeutendste stellt das hierarchische Modell nach Maslow dar. Hier wird ein Bedürfnis als ein „Mangelgefühl, verbunden mit dem Wunsch diesen Mangel zu beseitigen“ definiert. Gekennzeichnet ist dieser Zustand durch ein Spannungsgefühl, indem das Individuum erkennt, dass die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung existieren, jedoch derzeit nicht vorhanden sind. Maslow unterscheidet dabei eine Klassifikation unterschiedlicher Bedürfnisse:
• Physiologisch-biologische Bedürfnisse, zielen auf die Herstellung eines Normalzustandes
• Sicherheitsbedürfnisse nach Schutz vor Gefahren und einer geordneten Welt
• Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Liebe und nach emotionsbetonter Kommunikation
• Bedürfnis nach Achtung, einem Gefühl des Selbstvertrauens und der Stärke
• Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, die eigenen Fähigkeiten entwickeln und ausdrücken
Maslow geht bei den Bedürfnissen von einer Rangfolge innerhalb eines hierarchischen Modells aus. Höhere Bedürfnisse werden angestrebt sobald Niedrigere befriedigt sind, wobei die höheren Bedürfnisse oft unerfüllbar bleiben. Die Bedürfnisse eines Individuums sind dabei entweder soziokulturell geformt oder während der Sozialisation erworben.
Die Wohnbedürfnisse tauchen im Modell von Maslow nicht explizit auf, sind jedoch eng gekoppelt mit der Klassifikation nach Maslow. Wohnbedürfnisse sind Bedürfnisse, die „sich prinzipiell auch in anderen Lebensbereichen, z. B. in der Freizeit oder im Beruf, befriedigen lassen, zum anderen sind es Bedürfnisse, die speziell im Zusammenhang mit dem Wohnen auftauchen und die an die Wohnumwelt gekoppelt sind.“ Dieser Zusammenhang lässt sich zwar theoretisch trennen, ist jedoch im Wohnalltag oft ineinander verworren.
Wohnwünsche sind im Vergleich zu den Bedürfnissen weniger existenziell, da bei ihnen die Realisierbarkeit keinen lebensnotwendigen Stellenwert aufweist. Die Wohnwünsche können als Anknüpfungspunkte an die Realität verstanden werden und sind in ihrer Äußerung frei von Restriktionen. Die Wohnwünsche zu kennen stellt jedoch einen entscheidenden Schritt in der Weiterentwicklung des Wohnumfeldes und des Wohnraumes eines Individuums dar, da positive Alternativen eine Erweiterung der Lebensqualität nach sich ziehen.
Wohnzufriedenheit
Die Wohnzufriedenheit wird nach Speck durch „kognitive, besonders aber affektive Prozesse gebildet, die aus den Reaktionen auf die gegebene Wohnumwelt einschließlich der Möglichkeiten, sie zu ändern, hervorgeht.“ Nach dieser Definition ist Wohnzufriedenheit als eine Einstellung zu sehen, die abhängig ist vom Gestaltungs- und Selbstverwirklichungsspielraum der dem Bewohner zugestanden wird.
Im Rahmen einer psychologischen Betrachtung ist Wohnzufriedenheit stark gekoppelt mit der ‚Place-Identity‘ zu deutsch "Ortsidentität". Eine Wohnung besteht nicht nur aus funktionellen Räumlichkeiten, sondern aus einer Lokalität, „in dem sich für das Leben sehr bedeutsame Ereignisse abspielen, und an den sich durch die Emotionalisierung (emotioning) von Verhaltensweisen und Bedeutungen das eigene Leben bindet, und wo es Stabilität erhält.“ Das Individuum erhält dadurch ein Gefühl der Zugehörigkeit, was die Wohnzufriedenheit positiv beeinflusst. Zudem gibt es noch weitere Einflussfaktoren auf die Wohnzufriedenheit von Menschen, eine abschließende Aufzählung aller Faktoren kann jedoch nicht erreicht werden. Anderson und Weidemann stellten 1997 die wichtigsten Einflussfaktoren zusammen und erläuterten ihre Wirkzusammenhänge. Dabei stellten sich die Wohnungsgröße, die nachbarschaftliche Beziehung und das Angebot an Infrastruktur und Dienstleistung als die essentiellen Faktoren heraus. Die soziale Eingebundenheit in die Nachbarschaft und eine hilfsbereite Beziehung beeinflusst die Wohnzufriedenheit positiv. „Nahe gelegene Läden, Schulen und Bildungsangebote, Kindertagesstätten und Spielplätze, Freizeitmöglichkeiten, Parks und kulturelle Angebote spielen ebenfalls eine Rolle, wobei es von der persönlichen, der familiären und beruflichen Situation abhängt, welche Einrichtungen und Dienstleistungen jeweils den größeren Einfluss auf die Wohnzufriedenheit haben.“ Wichtige Einflussfaktoren stellen zudem das Erscheinungsbild des Hauses und der Wohnumgebung dar. Bedingt werden diese Faktoren durch Persönlichkeitseigenschaften und dem sozialen Status der Individuen, außerdem sind sie nicht konstant und können sich je nach Lebenssituation ändern.
Quellen
- Speck 1998, S. 19, S. 46
- Ebd, S. 19 f, S. 23, S. 27,
- Flade 2006, S. 42, S. 46, S .57, S. 58
- Thesing 1990, S. 27, S. 29
- Katharina Klein